Vom Stadt- zum Erdgas. Eine kurze Geschichte der halleschen Gasversorgung
Im aktuellen Winter sind die Versorgung mit und das Einsparen von Gas wie noch nie ein Thema. Bevor aber Gas in Halle zum Heizen oder Kochen eingesetzt wurde, wie wir es heute kennen, wurde es ab der Mitte des 19. Jahrhunderts zunächst für Beleuchtungszwecke genutzt. Dies betraf weniger die Erleuchtung der eigenen vier Wände, für die aus Kostengründen weiter überwiegend Öllampen oder Kerzen benutzt wurden, sondern die Straßenbeleuchtung und die in der Region expandierenden Betriebe des Maschinenbaus und der chemischen Industrie. Durch verbesserte Beleuchtung konnten im industriellen Zeitalter die Arbeitszeiten für Menschen und Maschinen – bis hin zu Nachtschichten – verlängert und zudem die notwendige Präzisierung gewährleistet werden.
Die Bereitstellung des Lichts wurde dabei als kommunale Aufgabe verstanden: Bereits seit 1728 gab es in Halle eine Straßenbeleuchtung, bestehend aus 600 Öllaternen, für die zehn Lampenputzer zuständig waren. Diese Öllaternen wurden in der Mitte des 19. Jahrhunderts durch die helleren und leichter zu wartenden Gaslaternen ersetzt (Abb. 1). Das hierfür benötigte Gas musste zunächst vor Ort und in speziellen Anlagen aus Kohle – der in der Region massenhaft vorhandene Braunkohle, anderswo Steinkohle – gewonnen werden. Das sogenannte Stadtgas war sehr verbreitet. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde es sukzessive durch Erdgas ersetzt, das durch Rohrleitungen von den Erdgasvorkommen zu den Abnehmern transportiert wurde. Westberlin wurde bis zum Fall der Mauer mit Stadtgas versorgt. Um das wegen seiner anfänglichen Nutzung auch als „Leuchtgas“ bezeichnete Brennmaterial herstellen zu können, hatte es wichtiger technischer Errungenschaften bedurft: Zu Anfang des 19. Jahrhunderts war in England eine sich rasch ausbreitende Technologie zur Vergasung von Kohle entwickelt worden. Durch Erhitzen zerkleinerter Kohle unter Sauerstoffausschluss in Retorten konnte Gas gewonnen werden, das für Beleuchtungszwecke nutzbar war. Vom Gas mussten Inhaltsstoffe wie das giftige Kohlenmonoxid getrennt – hierzu war 1854 eine Methode gefunden worden – und Teer, Ammoniak und Wasser abgeschieden werden.
Im Prozess der Gasgewinnung übriggebliebene Koks wurde als Brennstoffe oder für die Stahlindustrie weiterverwendet. Die Einrichtung der Gasanstalt in Halle und die Beleuchtung der Stadt – im Dezember 1856 brannten die ersten Gaslaternen auf dem Marktplatz – waren Teil eines allgemeinen, eng mit der heimischen Kohle verbundenen Aufschwungs. 1856 wurde zur Finanzierung der Gasanstalt eine Aktiengesellschaft gegründet, welche Gasbeleuchtungs-Anleihen, die „hallische Stadt-Obligation“. Mit dem Kapital dieser Aktiengesellschaft wurde im gleichen Jahr das erste Gaswerk in der Hafenstraße errichtet. Dabei waren die damaligen Arbeitsbedingungen der Arbeiter hart und der Arbeitsschutz gering. Die zu verkostende Kohle musste von Hand in die Öfen eingebracht werden, die Schichten waren ausgesprochen lang und die Entlohnung schlecht.
Da Halle durch den Zuzug während der Industrialisierung und damit auch der Bedarf am Brennstoffe Gas erheblich wuchs, reichte die bisherige Produktion nicht aus: Nach der Anlage in der Hafenstraße wurde 1876 ein Gaswerk in der Krausenstraße errichtet und dieses kurz darauf erweitert. Gas wurde schließlich auch für Privaträume, für Motoren in Firmen („Leuchtgasmotor“) und sogar für den Betrieb der Straßenbahn verwendet. 1891 wurde auf dem Holzplatz ein weiteres Gaswerk errichtet, wodurch eine sehr beachtliche Zahl an Haushalten und Unternehmen versorgt werden konnte. Die Gaswerke am Holzplatz und in der Hafenstraße wurden seit 1895 vom halleschen Thüringer Bahnhof aus durch die Hafenbahn mit Kohle beliefert. Um 1900 wurden in Halle rund 8,3 Millionen Kubikmeter Gas hergestellt. Dem Gas als Beleuchtungsmittel lief schließlich das elektrische Licht den Rang ab – 1901 war, ebenfalls am Holzplatz, das Elektrizitätswerk eingeweiht worden. Gas wurde jedoch weiter benötigt. Seit den 1960er-Jahren wurde das „Stadtgas“, dessen Produktion und Abnahme sanken, sukzessive durch Erdgas ersetzt. Die endgültige Umstellung fand erst nach 1990 statt. Bis 1972 produzierte das am Holzplatz befindliche Gaswerk noch Gas für Halle. Vor Kurzem ist in seinem runden Gasbehälter aus Ziegelmauerwerk das neue Planetarium eingerichtet worden.