Synchronsprecher Sven Plate im Interview

Wer leiht "Bugs Bunny", "Wesley Chrusher", "Wil Wheaton" oder "Kage" aus "Ranking of Kings" seine Stimme? Es ist der Synchronsprecher Sven Plate. Kulturfalterredakteurin Livia Müller traf in auf der Buchmesse in Leipzig am Panini-Stand auf ein Interview.

Livia Müller: Wie sind Sie zum ‚Synchron‘ gekommen?
Sven Plate: Ich habe bereits mit elf Jahren angefangen mit dem Synchronsprechen. In meiner Klasse war der Sprecher von Bob Andrews von den „Drei ???“. In der Klasse über meiner Schwester, welche heute auch Schauspielerin ist, war der Synchronsprecher von Justus Jonas, Oliver Rohrbeck.  Die Mutter von ihm hat nicht nur ihren Sohn, sondern auch meine Schwester entdeckt. Als die Mutter bei uns Zuhause anrief, ging aber ich ans Telefon und da ich sehr aufgeweckt klang, fragte sie mich, ob ich vielleicht auch Interesse am Schauspiel hätte. Als Kind wurde mein Interesse sofort geweckt und ich spielte anschließend Theater in Berlin unter anderem mit Georg Thomalla. Lutz Riegel hatte mich dann damals gefragt, ob ich mit zum Synchron möchte.

Was macht Ihnen am Synchronsprechen Spaß?
Mir macht Spaß, dass man immer in verschiedene Charaktere schlüpfen kann. Ob Bugs Bunny, Wesley Crusher aus „Star Trek“ oder auch „Kage“ aus „Ranking of Kings“, wegen welchem ich mich hier auf der Buchmesse beim Panini-Comic-Stand aufhalte. Ich war auch schon ein rotes Blutkörperchen. Man spricht ganz verschiedene Sachen vom Mörder bis zum Chefarzt, vom roten Blutkörperchen bis zum Hasen. Teilweise hat man fünf verschiedene Rollen an einem Tag.

Haben Sie ein festes Studio in welchem Sie arbeiten?
Die Synchron-Hauptstadt ist Berlin. Es gibt ungefähr 100 verschiedene Studios, in welchen synchronisiert wird. Ich spreche mittlerweile weniger, da ich mehr Regie führe. Sprecher die viel zu tun haben, müssen am Tag bestimmt in fünf bis sechs verschiedene Studios. Es gibt oft zwei Schichten: eine von 9 bis 17:30 Uhr und eine von 18 bis 0 Uhr. Berlin ist zudem sehr groß, weshalb man große Strecken zurücklegen muss, manchmal sogar bis nach Potsdam.

Welche Rollen haben Sie im  Anime-Bereich gesprochen?
Früher habe ich in einem Stilanime die Rolle von „Captain Future“ gesprochen. Eingeladen bin ich heute von Panini wegen „Kage“ aus „Ranking of Kings“. Ich bin aber auch bei „Meine Wiedergeburt als Schleim“ ein Goblin oder auch bei „Yu-Gi-Oh Espa Roba“. In den letzten Jahren war ich mehr in der Regie und weniger Synchronsprecher, aber ich möchte jetzt wieder mehr Rollen übernehmen.

Spricht man bei einem  Anime anders?  Was fasziniert Sie am Anime?
Anfangs hätte ich nicht gedacht, dass man als Anime-Synchronsprecher doch so gut ankommt. Man muss oft brüllen und viele lehnen deshalb die Rollen ab. Aber gerade auf den Conventions merkt man, dass viele einen auf die Anime-Rollen ansprechen.



Sie führen viel Regie. Können Sie unserer Leserschaft erklären, was Sie da genau machen?
Ich mache unterschiedliche Regie: Zum einen „Spieleregie“ für Games zum Beispiel „The Legend of Zelda: Breath of the Wild“ oder „Arkham Asylum“. Ich suche die Sprecher aus und gebe die Richtung vor. Hauptsächlich mache ich Synchronregie, bis auf die Kinofilme alles von „Scooby Doo“, „Elite“ und „Parasite“ als Netflixserie. Ich habe sehr viel für Netflix gemacht, aber auch einiges an Kindersachen, wie „Adventuretime“ oder „Regular Show“ - also einige Zeichentrickserien. Ich führe seit 24 Jahren Regie, da kommt schon einiges zusammen.

Ich schreibe auch die deutschen Dialoge. Damit das Gesprochene zu der Lippenbewegung passt. Das ist insbesondere bei koreanischen Sachen sehr schwer, da diese in ihrer Sprache keine Labiale, also Verschlusslaute wie B, M, P (..), haben, also ihren Mund nicht wirklich schließen. Beim Englischen oder Spanischen ist das leichter. Wobei Spanisch eine sehr schnelle Sprache ist und man da gute Synchronsprecher braucht, um bei dem Tempo mithalten zu können.

Vielen Menschen sind Sie sicher durch den jungen Wesley Crusher, gespielt von Wil Wheaton, auch bekannt aus „Big Bang Theory“ und aus „Raumschiff Enterprise“ (engl. Titel „Star Trek“). Haben Sie Wil Wheaton schonmal persönlich getroffen und falls nicht, würden Sie gern?
Ich habe Will Wheaton leider noch nicht getroffen. Ich war auf mehreren Conventions beispielsweise bei der German Comic Con, da kommen einige aus „Raumschiff Enterprise“, aber Will Wheaton leider noch nicht. Wenn er kommt würde ich mich sehr freuen ihn kennenzulernen. Meine Zeichentrickfiguren kann ich ja leider nicht treffen.

Sind Sie durch „Star Trek“ selbst auch ein „Trekkie“ geworden?
Ich habe früher immer viele Episoden gesehen, aber bin nie von irgendwas so wirklich ein Fan. Ich schaue weder Animes, noch spiele ich Games. Aber zu meiner Ehrenrettung muss man sagen, dass ich ein Kind der 70er bin. Ich hatte kein Handy, es gab keine Videos. Es gab lediglich drei Fernsehprogramme und schauten „Wicky“ oder „Rappelkiste“. Das erste, was ich so gemacht habe war „Captain Future“ und da es nicht viel gab, fanden das in der Schule natürlich alle super toll.

Wer war Ihre Lieblingsrolle, welche Sie synchronisiert haben und warum?
Am meisten Spaß gemacht hat mir die Figur Gwizdo aus „Die Drachenjäger“. Es ist eine tolle Sendung und hat mit Songs von „The Cure“ auch tolle Musik. Er ist agil, ganz nett aber auch ein bisschen chaotisch. Das passt zu mir ganz gut. Es ist eine französische Serie und deshalb besser gemacht und auch tiefgründiger.


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Bekommt man als Synchronsprecher einen anderen Blick auf eine Serie, als wenn man diese einfach nur schaut?
Das Problem ist, wir sehen immer nur die Szenen in welchen wir selbst sprechen. Ich sehe den Rest der Folge nicht. Da kommt jemand rein und sagt: „Du bist der und der“ und dann sage ich „Okay“. Bei Serienrollen bekommt man schon mehr mit, aber ich fand es einfach cool da mitzusprechen. Ich sehe die Szene aber durch die vielen Takes öfter und dann fallen Kleinigkeiten zum Beispiel im Hintergrund auf, während es  im Fernsehen nur schnell durchläuft.

Wie lange dauern solche Aufnahmen für beispielsweise eine Folge Raumschiff Enterprise?
Ich würde sagen für eine 45-Minuten-Folge so 2 bis 2 ½ Tage. Es kommt darauf an wie schwer die Episode ist und wie schnell man bei der Firma arbeitet.

Wie fühlen Sie sich in ihre Rollen rein? Haben Sie da Methoden?
Man kann sich nicht darauf vorbereiten, da man nicht weiß, was man macht. Man kommt an und der Regisseur sagt: „Du bist heute ein besoffener Feuerwehrmann“. Dann sieht man die Szene und nimmt es vom Bild ab. Bei Kinofilmen kann man diese manchmal vorab sehen. Wenn man aber nur kurz darin vorkommt, dann schaut man sich die Szene, auch mal mit Originalton, zweimal an und kommt dann rein. Es ist bei mir mittlerweile nach über 20 Jahren Routine. Anfangs ist das schon schwer. Man muss die Pausen und Labiale treffen, rechtzeitig fertig sein und darf nicht zu spät beginnen. Zwei bis drei Jahre Übung braucht man schon, da reicht eine schöne Stimme oft nicht aus, da man den technischen Teil beherrschen muss. Bei Spy/Master hatte ich fünf original-Schauspieler, welche sich selbst synchronisiert haben. Dann machen die aber zu oft wenig und es klingt schnell unnatürlich, da man bei der Synchronisation stärker betonen und einfach mehr machen muss, als als Schauspieler. Man benötigt eine innere Spannung.



Sie sind ja bestimmt öfter auf Messen... Haben Sie da eine liebste und warum?
Ich bin dieses Jahr auf etwa zwölf Messen. Meist bin ich auf Cosplay-, Anime- und Manga-Messen. Die „Dokomi“ in Düsseldorf ist toll, da waren letztes Jahr 160.000 Leute. Dieses Jahr gebe ich dort wieder Autogramme. Auch die „Connichi“ in Wiesbaden ist toll. Aber das Schönste ist, dass man dort viele andere Synchronsprecher trifft und man das Gefühl hat, wir wären auf einer Klassenfahrt.

Wurden Sie  schon aufgrund Ihrer Stimme erkannt?
Ja gab es immer. Meine Stimme ist sehr außergewöhnlich. Mittlerweile bin ich mir aber durch meine Social-Media Accounts nicht mehr sicher, woher mich die Person genau kennt. Die Stimme wird mit dem Gesicht verknüpft. Ein Video auf Youtube mit mir hat acht Millionen Views und hat auch ein sehr junges Publikum erreicht.

Ich war vor Kurzem beim Arzt und hatte nicht genügend Geld dabei. Der neben mir meinte gleich „Ich zahle für sie“ und das würde er normalerweise wahrscheinlich nicht machen. Ich hab es natürlich abgelehnt. Viele Leute sind schon freundlicher, wenn sie mich erkennen.

Ich habe gesehen, dass Sie ein Format „Minutenstar“ auf Instagram und TikTok machen. Dort stellen sie immer andere Synchronsprecher vor und diese kommen auch selbst zu Wort. Auf wen können wir uns da noch freuen? Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Ich mache auf den Messen und Conventions viele Aufnahmen. Es gibt den Synchronsprecher von „Koro-Sensei“. Er spricht auch Ned Flanders und eine Rolle bei „Rick und Morty“. Das Video habe ich gestern hochgeladen und heute hat es bereits über 100.000 Aufrufe. Ich kenne mich mit Anime nicht so aus, aber er ist da wohl sehr beliebt. Mittlerweile hab ich schon Aufnahmen mit über 300 Synchronsprechern. Letztes Jahr habe ich in Freiburg den Synchronsprecher von King Julien aus „Madagaskar“, getroffen und das Video mit ihm war auch sehr beliebt. Früher hatte man nur die Stimme und heute auch ein Gesicht dazu. Besonders sind viele davon begeistert, dass Synchronsprecher oft sehr verschiedene Rollen sprechen, von Serienmörder bis Fohlen.


Wie kann man heutzutage Synchronsprecher werden? Haben Sie da Tipps?
Allgemein Schauspielschule und Sprecherziehung. Es gibt aber auch Kurse von bekannten Synchronsprechern. Es gibt auch den „Yellow Dubmarine“, einen 10-wöchigen Kurs um das Synchronsprechen in den Grundzügen zu erlernen. Das ist aber mehr etwas für Schauspieler, welche umschulen wollen.

Im Moment schwebt aber das Damoklesschwert der KI über uns Synchronsprechern und man weiß nicht genau, ob die Synchronisation nicht irgendwann von Computern übernommen wird.

Hängt eine der eigene Durchbruch als Synchronsprecher vom Schauspieler oder dem Erfolg der Serie bzw. des Filmes ab?
Natürlich. Die ganz großen Sprecher haben meist einen bekannten Schauspieler als Feststimme. Oder man hat eine Zeichentrickfigur, welche bekannter wird. Man wird dann automatisch mehr gebucht. Mittlerweile hilft es aber auch online auf Social Media stattzufinden. Ich habe 30 Jahre Bugs Bunny gesprochen, aber so wirklich interessieren sich die Leute erst für mich, seit man ein Gesicht zu der Stimme hat. Wir sitzen sonst in einem dunklen Studio und niemand kannte unser Gesicht noch unseren Namen. Social Media hilft, dass man nicht nur mit seiner Stimme glänzen kann, sondern auch mit seinem Charakter. Ich würde mich selbst zwar nicht als „Influencer“ sehen, trotzdem hat man einen Einfluss.

Herr Plate, vielen Dank für das Interview.