Wie frische Luft hereinlassen

Wenn Quentin Tarantino einen Film über den Umgang mit Nazis macht, sollte man die Farbe Rot schon etwas mögen. Seit dem 20. August 2009 lief „Inglourious Basterds“ im Kino, und die fiktive Geschichte um Nazi-Skalps und wirklicher Rache für das Unmenschliche schickte sich spätestens seit der Premiere in Cannes an, ähnlichen Kultstatus zu erreichen wie Pulp Fiction oder Kill Bill. Zur Vorpremiere in Dresden traf Kulturfalter das „schlaue Nazi-Arschloch“ (DIE ZEIT) August Diehl (in der Rolle des SS-Sturmbannführers Hellstrom) und sprach mit ihm über die Balance zwischen Fleiß und Faulheit und Filmabende made by Quentin Tarantino. Der Film wurde unter anderem in Mitteldeutschland gedreht.

Kulturfalter: Herr Diehl, „Inglourious Basterds“ lief vor dem offiziellen Filmstart bisher nur zweimal in Deutschland, in Berlin vor zwei Wochen und heute in Dresden. Wie haben Sie diese Premieren erlebt?

August Diehl: Die Premiere in Berlin habe ich sehr genossen. Das war eine wirkliche Feier. Hier in Dresden war es verhaltener, aber auch lustig. Das Publikum war bei den Fragen nach dem Film schon sehr neugierig.    

Eine kurzer Blick zurück: Was denkt man, wenn ganz frisch feststeht, dass man mit Tarantino höchstpersönlich einen Film dreht?

Ich hab mich wahnsinnig gefreut darauf. Und auch auf die Rolle selbst. Ich war sehr gespannt, was passieren wird beim Proben und beim Drehen. Tarantino hat da absolut etwas in Gang gesetzt und auch vermittelt, dass man eine Aufgabe hat. Aber dieses Euphoriegefühl hält nur kurz an und hört dann wieder auf, weil man ja mit der Rolle beschäftigt ist. Zwar kommt das immer wieder beim Drehen, wenn man denkt: „Wow, dieser Kameramann, wow, dieses Set, wo bin ich hier eigentlich“. Aber das verschwindet wieder, da man, wie bei jeder anderen Arbeit, das Beste versucht, um etwas zu schaffen.    



Hand aufs Herz: Hatten Sie Spaß daran, im Unterschied zu „Der neunte Tag“ oder „Die Fälscher“ in einem Film zu spielen, wo den Nazis mal so richtig in den Arsch getreten wird?

Den Film habe ich nie im Vergleich zu anderen Filmen gesehen. Es ist ja auch ein ganz anderes Genre. Es war fast wie eine Oper, mit Tarantino zu drehen. Das machte sehr viel Spaß. „Inglourious Basterds“ war für mich, als hätte jemand ein Fenster aufgemacht und frische Luft hereingelassen. Ich kann zurückblickend nur beschreiben, dass, als ich das Drehbuch gelesen hatte, ich mich gefragt habe: Wie komme ich da wieder raus? Und plötzlich merkte ich, dass die alle draufgehen...  

In den Jahren 2008/2009 kamen fünf Filme mit Ihnen in die Kinos, dazu noch zwei Theaterrollen, unter anderem in Zürich. Wie schafft man dieses Arbeitspensum? Oder anders gefragt: Was ist das Geheimnis, die „Balance zwischen Fleiß und Faulheit“, wie Die Zeit Sie zitiert, zu finden?

Man muss vorher fleißig sein, sich vorbereiten und organisieren, damit dann alles wie gut geschmiert ablaufen kann. Und während der Arbeit, kann man dann wunderbar rekapitulieren, also fast faul sein. Irgendwann habe ich gemerkt, dass dieser Vorbereitungs- und Probenprozess eigentlich das Schönste an meinem Beruf ist.      

Tarantino wird mit den Worten zitiert: „Inglourious Basterds ist meine Version von Das dreckige Dutzend, Agenten sterben einsam und Die Kanonen von Navarone“. Hat der Meister eigentlich zu einem Video-Abend zur Einstimmung eingeladen?

Es gab viel mehr. Jeden Donnerstag wurden wir eingeladen, in einem Babelsberger Kino mit Tarantino seine Lieblingsfilme zu gucken. Das war toll. Er hat uns gezeigt, dass wir alle gleich wichtig, dass wir Teil seiner Mission sind. Einige Filme kannte ich zwar schon, aber es ging darum, seine Sicht auf die Filme zu erfahren. Und das war großartig.

Herr Diehl, vielen Dank für das Gespräch!

(Alexander Bernstein, Kulturfalter August 2009)


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