Die Challenge schlechthin

Jimmy Kelly weilte am 9. November 2009 im Objekt 5. Er war gerade auf Tour mit seinem Roots-Album. Kulturfalter sprach mit ihm vor dem Konzert über seine Spurensuche, seine Verbindungen zu Halle und seine Familie.

Kulturfalter: Wo waren Sie, bevor Sie nach Halle kamen?

Jimmy Kelly: Ich komme direkt von einem Konzert aus Bamberg.

Sie sind nicht der einzige Kelly, der Halle einen Besuch abstattet.Ist die Stadt ein gutes Pflaster für die Kellys?

Ich schätze schon. Ich bin selber zum zweiten Mal allein hier. Wir haben hier öfters gespielt und ich komme gern nach Halle. Vielleicht ist da ein Stück Verbindung, etwa wie bei einem Mörder, der zum Tatort zurückkehrt (lacht) oder so ähnlich.

Ein Stück Verbindung, was meinen Sie damit?

Ich bin mit Jürgen Reichert vom Kulturbüro gut befreundet. Ich war früher bei den Kellys für sämtliche Genehmigungen zuständig. Jürgen hat sich immer für uns eingesetzt und hat geholfen, wo er konnte. Da wir oft in Halle waren, ist so ein Kontakt entstanden, den wir gehalten haben, und so sind wir seit 18 Jahren befreundet.



Was kennen Sie von Halle? Hat man bei so vielen Touren noch Erinnerungen an Einzelheiten?

Ich kenne die Innenstadt ziemlich genau, weil wir dort oft gelandet sind, wenn wir gespielt haben. In der Fußgängerzone habe ich mich immer wohl gefühlt. Aber es hat sich so viel geändert und jedes Mal, wenn ich da bin, ist etwas Neues zu sehen. Heute wohne ich im Maritim, laufe durch die Stadt und gehe vielleicht den Jürgen besuchen.

Es gab in Halle einige Leute, die erzählten, mit der Kelly-Family auf den Touren unterwegs gewesen zu sein, in so einer Art großem Wanderzirkus. Ist das ein urbaner Mythos oder ist da was dran?

Ich weiß nicht genau, was die Leute meinen. Wir hatten Busse, eine Bühne und haben Musik gemacht, indem wir gereist sind. Es sind immer Leute mitgekommen und haben geholfen, deswegen kann dies schon sein, auch wenn ich mich an keinen erinnern kann. Aber es gibt viele, die davon geträumt haben. Aber an die Leute von einer Firma, die unseren Sound betreut hat, kann ich mich erinnern.

Viele Fans hinterlassen sehr persönliche Nachrichten auf Ihrer Myspace Seite – kennen Sie Fans persönlich oder sehen Sie die auf Konzerten?

Es gibt manche, die sieht man immer wieder. Es ist erstaunlich, wie sich die Fans das finanziell leisten können. Aber ich baue keine persönliche Bindung auf, denn ich brauche mein Privatleben sehr. Ich habe eine Frau und zwei Kinder und ich genieße meine Familie sehr. Einige Fans kenne ich mit Namen und die frage ich dann auch, wie es ihnen so geht und ein bisschen mehr. Aber ich hätte kein Leben, wenn ich allen Menschen auf meiner Myspace-Seite antworten würde. Mit meinem Manager schaue ich einmal die Woche darauf, ganz besonders um mitzubekommen, wie das Feedback auf Konzerte und die Tour ist. Es gibt aber auch Leute, die behaupten sie seien ich. Das gab schon ein paar Mal eine Riesenenttäuschung.

Wie gehen Ihre Kinder mit Ihrer Musik um?

Sie sind sehr jung. Sie tanzen, spielen und toben zu meiner Musik. Die Musik liegt einfach in der Familie, sie ist etwas Natürliches und die Kinder wachsen damit auf.

Ist die Platte und die Tour auch eine Rückbesinnung auf die ursprünglichen „Kellywerte“?

Es ist ein „Back to the roots“. Ich forsche meine Roots aus, das Wesentliche. Ich war jahrelang mit einem ganz anderen Zirkus, einem wesentlich größeren Zirkus und viel Tamtam unterwegs. Jetzt bin ich mit einem Musiker unterwegs. Das ist sehr wenig. Da sind nicht die Soundanlage oder die Klamotten wichtig, da ist die Musik mit der Gitarre wichtig und das ist für jeden Musiker die Challenge schlechthin. Mit einer großen Band wird man faul und vielleicht bin ich auch ein wenig faul geworden und ich interessiere mich für meine Sachen.



Warum gerade jetzt?

Ich bin jetzt ein normaler Vater. Mich interessiert, was ich meinen Kids weitergeben kann. Jetzt, wo sie noch klein sind, ist die Zeit die Roots zu sortieren. Es ist Zeit einen Rückblick zu machen und tiefere Sachen zu finden. Die Kindheit prägt einen, man muss auf einmal nein zu diesem und jenem sagen. Man wiederholt sehr vieles, das fällt einem auf, wenn man sich mit der Vergangenheit beschäftigt. Aber ich will einiges anders machen, aber dafür braucht man ein Bewusstsein, man muss tief suchen, auch für die Sachen die falsch gelaufen sind. Musikalisch etwa – mit der Kelly-Family sind wir sehr poppig geworden und das ging mir auf den Keks. Folk ist mehr mein Ursprung und auch der Blues. Mein Musiker, der mit mir auf Tour ist, hilft mir immer sehr und ich glaube ich bin auch schon durch ihn ein besserer Musiker geworden.

Hätten Sie Angst, mit Ihren Kindern auf der Bühne zu stehen?

(lange Pause) Ja (zögert) eigentlich schon. Das müsste sehr vorsichtig geschehen und müsste alles sehr gut ausgewählt sein. Ich hätte sehr Angst davor.

Und wenn die Kinder es sich wünschen?

Kinder wünschen sich auch jeden Tag Schokolade und dem kann man auch nicht immer nachgeben. Ich hoffe, dass ich es schaffe meinen Kindern die Freiheit und die Stabilität zu geben, dass sie selber entscheiden, was sie machen und dass ich ihnen nicht so viel vorschreibe. Allerdings wollen meine Kinder auch jeden Tag Fernsehen gucken, aber das dürfen sie nur einmal die Woche und ich wähle dann aus und gucke mit ihnen zusammen.

Sie sind mit Ihrer Familie viel herumgekommen – Wo ist Ihre Heimat?

Ich bin in Spanien geboren und bin aber am liebsten in Irland. Meine Frau kommt aus Norddeutschland. Die Kellys wohnen alle sehr zerstreut. Einige wohnen in Deutschland, andere woanders in Europa. Aber ich sage Ihnen nicht, wo ich wohne, denn ich will meine Privatsphäre genießen.

Was haben sie noch für Pläne, was kann man noch erreichen, wenn man einmal auf dem Olymp stand? Beruflicher Erfolg? 

Ja und Nein. An der Qualität Musik zu machen kann man immer arbeiten. Das Leben geht immer weiter, es gibt kein „Top over the world“ und niemand hat alles geschafft. Es ist schön, dass wir so viel erleben durften, es hat aber nicht die süße Happyness, wie sich das viele denken. Erfolg ist wichtig, aber ist nicht so wichtig. Ein Handwerker freut sich am Abend über das, was er geschafft hat und ebenso freue ich mich über gutes neues Lied, das ist auf Dauer wichtiger als Erfolg, das ist die Basic für einen Mann.

Juckt es Sie auch heute noch auf der Straße zu spielen?

Auf jeden Fall, das habe ich auch mehrmals in diesem Jahr gemacht. Im Sommer habe ich in Leipzig, Schwerin und Rostock auf der Straße gespielt.

Wie war das?

Ich habe ohne Ankündigung gespielt, einige Leute haben mich erkannt und dachten, das ist „versteckte Kamera“, andere glaubten es gar nicht und einige haben mich nicht erkannt.

Was ist es für ein Gefühl auf der Straße zu stehen und zu spielen?

Die Straße ist ein Dschungel. Man ist abhängig von der eigenen Laune und der von den Menschen. Das ist viel Realität und Wahrheit und du musst dich erst einmal hingeben – was schwer ist. Und so ist es sehr roh. Es ist ganz anders, als wenn du die Leute zahlen lässt, damit sie dir zuhören, weil sie im Konzert offener sind, denn sie haben ja bezahlt. Das alles hat man auf der Straße nicht. Aber es gehört zu mir dazu und deswegen will ich es auch nicht missen.

Wo fahren Sie danach hin?

Ich schau mal nach... Nach Münster geht es!  

Jimmy Kelly, vielen Dank für das Gespräch!

(Martin Große, Kulturfalter November 2009)