Beatstreet war echt ein Vorbild für mich

Fatih Akin, Regisseur aus Hamburg, 1973 geboren, war mit den preisgekrönten Filmen "Gegen die Wand" und "Auf der anderen Seite" bisher eher für ernstere Filme bekannt. Sein neuer Film "Soul Kitchen" ist eine Komödie – über den Kneipenbesitzer Zinos, der erst die Freundin und dann seine Kneipe verliert, über Hamburg und seine Subkultur – und Soul. Dabei sind bekannte Schauspieler wie Monika und Moritz Bleibtreu oder Birol Ünel. Vor dem Kinostart am 25. Dezember sprach der Kulturfalter mit Fatih Akin und Teilen seiner Crew im "Exil" in Halle nach einer Vorabaufführung des Films.

Kulturfalter: Ihr seid gerade auf Kino-Tour in ganz Deutschland, wie sind die Reaktionen auf euren Film?

Fatih Akin: Witzig, aber es gibt durchaus auch Unterschiede, wenn auch eher kleine.

Pheline, Anna: Wir waren auch in Griechenland, in Thessaloniki fanden sie vor allem den Sokrates lustig. Die Leute lachen viel, aber schon an unterschiedlichen Stellen.  

Wo wird denn am meisten geklatscht?

Fatih Akin: Also mein Eindruck – am meisten begeistert waren die Leute in Bielefeld. Aber in Hamburg haben sich die Leute schon auch sehr gefreut. Natürlich, der Film kommt ja von dort und spielt dort. Für viele Leute ist das vielleicht ein neuer Blick auf Hamburg. Das war auch unsere Absicht, wir wollten unser Hamburg zeigen, die Subkultur, in der wir aufgewachsen sind und leben, die Klubs, wo wir abgehangen haben. Da ist es schon auch seltsam, wenn man das anderswo als exotisch versteht, denn dann müssten wir ja exotisch sein, sind wir aber nicht.  



Aber ist nicht Hamburger Subkultur zum Beispiel in Halle exotisch?

Fatih Akin: Ich finde, je weiter die Leute von diesem Milieu weg sind, umso mehr gefällt ihnen das. In Berlin zum Beispiel funktioniert das ganz anders, da macht das die Leute nicht so an, die kennen das einfach.  

Du hast jetzt mit vielen alten Freunden gearbeitet. Wie ist das, anders?

Fatih Akin: Ich finde es einfacher, weil man weiß, woran man ist. Jemanden kennenzulernen ist ja auch immer ein Arbeitsprozess. Mit denen hier entfällt das. Ich kann gleich sagen: So, aufschlagen, Seite 24, weiter geht's!  

Warum sollte man sich etwa hier in Halle so einen Film sehen?

Fatih Akin: Die Leute auf der ganzen Welt sollen den Film sehen. Er spielt in Subkulturen, die findet man überall. Zum Beispiel hier im "Exil" – wir fühlen uns sehr heimisch, die Musik und so das Zeug an den Wänden, da entsteht auf einmal Identifikation, diese Mechanismen gibt es überall, sind überall dieselben.

Adam: Ich kann's auch nicht besser sagen. Es geht um die Menschen, da könnte so ein Film genauso in Halle spielen. Menschen machen eine Stadt aus, und Heimat ist da, wo die Menschen sind, die man kennt, die Familie, die Freunde, auch die Straßen, die man kennt, da wo man sich wohl fühlt.  

Nun ist Flexibilität heute sehr wichtig, steht das dem nicht entgegen?

Fatih Akin: Schon, aber das haben wir auch im Film drin. Die Nadine geht ja nach Shanghai, wegen eines Jobs.

Adam: Viele kommen aber immer wieder zurück, meistens zu Weihnachten, (lacht) Heimat verlierst du nie, wie eine Mutter.  

Aber kann man auch woanders glücklich sein?

Adam: Ja klar, das ist möglich. Es gibt viele schöne Ecken, vielleicht gehe auch ich irgendwann mal ans Mittelmeer.  



Fatih, du hast bisher eher ernste Filme gemacht, wie war es jetzt mit Komödie?

Fatih Akin: Es ist schwieriger. Die Leute zum Lachen zu bringen, verlangt doch scheinbar viel mehr Regeln und Konventionen. Ich kannte diese Regeln in der Theorie, aber sie wirklich zu beherrschen – das fand ich sauschwer. Komödie ist viel mehr ein Genre, bisher war meine Arbeit eher Freestyle. Schmerz zum Beispiel ist viel konventioneller und zwischen allen Völkern viel eher verständlich. Humor dagegen, vor allem wenn er verbal geäußert wird, ist schwieriger. Da muss man allgemeine Dinge finden. Ein Bandscheibenvorfall etwa, das kenne viele Menschen. Wie bei Charlie Chaplin, das ist visueller Humor, das waren ja noch Stummfilme. Die Leute lachen über die Tragik der Helden, und obwohl das aus den USA in den 1920er-Jahren kam, lachen heute die Leute in China darüber.  

Was ist für euch die lustigste Szene in "Soul Kitchen"?

Fatih Akin: Ich mag vor allem diese ganzen Insider-Witze. Da gibt es den einen, den sie "Ziege" nennen, und der wird immer mit "mäh, mäh" begrüßt, das erinnert mich an die Sesamstraße...

Anna: Für mich sind das eher so die kleinen Dinge, die ganzen Gesichtsausdrücke von Adam zum Beispiel, auch wenn Ziege und sein Kumpel tanzen...

Pheline: Das wird immer spezieller, je öfter man das sieht, Lars Rudolph hat so tolle Augenblicke, auch Sokrates' Gemecker finde ich sehr witzig.

Adam: Das sind kleine Sachen, solche Sprüche wie "Ey, ich hab mir schon wieder ins Auge geraucht..." – man kann den Film wirklich öfter sehen…  

Warum spielt Soul eine so große Rolle, warum in Hamburg?

Fatih Akin: Hamburg ist wirklich wie eine deutsche Soul-Hauptstadt. Außerhalb von Nordamerika ist Hamburg die Stadt, wo du am derbsten auf Soul abgehen kannst. Es gibt hier viele Clubs und DJ's. Wir haben auch mal einen Laden gehabt, der hieß "Soul Kitchen", das war Anfang der 1990er-Jahre ein legendärer Laden, wo wir die Leute auch um Erlaubnis fragen mussten, dass wir den Film überhaupt so nennen dürfen.

Adam: Warum das so ist mit Hamburg, weiß ich auch nicht, aber Hans Albers war ja auch Soul…

Fatih Akin: Ja, und Freddy Quinn war Soul-Brother Nr. 2.  

Aber ist es dann nicht wieder schwieriger, das umzusetzen für ein großes Publikum, das diese Szene so nicht kennt?

Fatih Akin: Nein, für mich vom Thema her eigentlich nicht. Für "Auf der anderen Seite" musste ich mir dieses Deutsch-Deutsche erst einmal erarbeiten. Bei "Soul Kitchen" war da schon alles da, und es gibt auch gemeinsame Vorbilder – Beatstreet zum Beispiel... 

Beatstreet?

Fatih Akin: Ja, Beatstreet war echt ein Vorbild für mich. Der Film lief Mitte der 80er nur im DDR-Fernsehen, bei uns nicht. Ich habe ihn aufgenommen auf VHS, schwarz-weiß aus dem Fernsehen. "Soul Kitchen" ist wirklich von Beatstreet beeinflusst – vom Umgang mit Stadt und Subkultur. Ich habe den Film vor Kurzem in den USA auf DVD gekauft und zum ersten Mal in Farbe gesehen. Das war seltsam, bisher war Beatstreet für mich wirklich absolut ein Schwarz-Weiß-Film.

Vielen Dank für das Gespräch!

(Kristian Schulz, Kulturfalter Dezember 2009)

 

 

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