Vor 100 Jahren: Hallescher FC von 1896 wurde Mitteldeutscher Meister

Am 10. Juni 1917, mitten im Ersten Weltkrieg, holte der HFC von 1896 zum ersten Mal eine Mitteldeutsche Fußball-Meisterschaft nach Halle. Im kleinen, mit 4000 Zuschauern überfüllten Guths-Muths-Stadion an der Pfotenhauerstraße in Dresden-Johannstadt gewann der HFC von 1896 das Endspiel gegen Dresden Ring 02 mit 2:0. Nach einer Verletzung von Rechtsaußen Karl Delle spielte der HFC 80 Minuten lang mit 10 Spielern. Die Spielregeln sahen immer noch keine Spielerwechsel vor. Nicht einmal bei Verletzungen. Die Tore schossen Büttner (12. Minute) mit einem Flachschuss aus sechs Metern und Otto Mainz (87.), der einen vom Dresdner Torwart Frenzel zu kurz abgewehrten Freistoß von Förderer in den Maschendraht schoss.

Der HFC von 1896 und der HFC Wacker 1900 wurden von 1917 bis Anfang 1919 besondere Vereine. In fieberhafter Eile errichteten die Kondor Flugzeugwerke Essen-Gelsenkirchen-Rotthausen in Halle-Mötzlich einen Flugplatz für die Fliegerersatz-Abteilung 14 (FEA 14). Weil zu dieser Zeit nur noch in Mitteldeutschland Fußball auf höchster Ebene gespielt wurde, beorderten fußballbesessene Fliegeroffiziere wie Hans Schellenberg aus Halle einberufene Nationalspieler und Auswahlspieler aus Süddeutschland, Südwestdeutschland, Westdeutschland, Berlin und Hamburg nach Halle. Sie wurden den beiden halleschen Vereinen zugeteilt. Einige Spieler wurden zeitweilig auch an den benachbarten SV Cöthen 02 abgegeben.

Für den HFC spielten Fritz Förderer und Karl Elstermann vom Karlsruher FV, Ludwig Walter (Kaiserslautern), später Vater der 1954er Weltmeister Ottmar und Fritz, Willy Worpitzky (Berlin), Karl Delle, Herbert Appel, Kurt Recht, Benecke, Brügert, Büttner, Hans Camp de la Porte aus der bekannten Hamburger Kaufmannsfamilie und weitere. Worpitzky spielte noch bei Wacker. Wie auch die Nationalspieler Kurt Diemer (Berlin und Mainz), Zeilfelder (Mannheim), der jüdische Stürmer Gottfried Fuchs (Karlsruher FV), Köste und Tennert (Berlin).

Seit der Gründung des HFC von 1896 kamen die Spieler vorwiegend aus dem TSpV der Franckeschen Stiftungen. Ab Januar 1917 wurde die Mannschaft durch die FEA-Spieler verstärkt. Im Stadion am Zoo entstand die mitteldeutsche Meistermannschaft des HFC von 1896 als Kombination von Stiftungsspielern wie TW Walter Hensel, Marcel Ernst Speyer aus Nizza, Walter Burghardt und Erhard Schweinefleisch, und FEA-Spielern. Die individuelle Befähigung der Spieler, ihre mannschaftliche Homogenität und ihre angriffsorientierte Spielweise begeisterten tausende Hallenser Fußballanhänger. In den Ausscheidungsspielen um die Mitteldeutsche Meisterschaft wurden Nordhausen 6:0 sowie Halberstadt, der Ortsrivale Wacker, die Sportfreunde Halle 5:0 und der 1. SV Jena mit 5:2 deklassiert. Der SV Cöthen wurde im Halbfinale erst durch den HFC mit 5:1 gestoppt. Zuvor hatte Köthen den Meister von Nordwestsachsen Eintracht Leipzig 4:0 und den Elbe-Meister Viktoria Magdeburg 2:1 besiegt. Obwohl die Mitwirkung der FEA-Spieler als militärisches Geheimnis behandelt werden sollte, war auf den Plakaten in Nordhausen zu lesen: „SV Wacker-Mars Nordhausen vs. Hallescher FC FEA 14“. Auf der Wasserkuppe bei Nordhausen stand die Fliegerschule von Halle-Mötzlich.



Neben der sportlichen Verstärkung wurden die beiden halleschen FEA-Mannschaften HFC 96 und Wacker 1900 zu Profiteuren der Kriegsspiele. Sie erhielten von der Luftwaffe für jedes Spiel und Tor eines FEA-Spielers eine hohe Spiel- und Siegprämie. Während die anderen Stadtvereine durch den Krieg in den Ruin getrieben wurden.

Nach dem Endspielsieg in Dresden schrieb Johannes Hädicke, Vereinsvorsitzender und seit dem 34. Verbandstag im Februar 1917 Vorsitzender des Mitteldeutschen Fußballverbandes, in die Vereinszeitschrift: „Und dann fuhren wir heim …überglücklich mit dankerfüllten Herzen an unsere Erstklassigen, die eine außerordentliche Leistung vollbracht haben …Am Bahnhof Halle erwartete uns eine große Menschenmenge … jubelnd trägt man unseren Spielführer Speyer auf den Schultern … ein mächtiger Lorbeerkranz schmückt den glücklichen Spielführer. Sonderwagen der Straßenbahn fahren uns im Triumph durch die Stadt nach dem Klubhause, wo stolz vom Maste unsere Fahnen wehen. Und noch einmal drücken wir uns die Hände und sehen uns verstehend in die Augen … unser lieber H.F.C. – endlich einmal … endlich.“

Mit 52 Toren in den Verbandsspielen der 1. Saalegauliga und in der Mitteldeutschen Meisterschaft 1917 wurde Fritz Förderer vom VMBV offiziell zum Mitteldeutschen Torschützenkönig gekrönt. Wie die Saale-Zeitung schrieb „zitterte der ganze Kasten“, wenn Förderer seine Vollspannschüsse im Tor unterbrachte oder Pfosten und Latte traf. Sportredak- teur Emil Graf charakterisierte den HFC-Mittelstürmer: „Er schießt aus allen Lagen.“ Nach einer Vereinsfusion entstand 1920 aus dem HFC der VfL Halle 96 als Nachfolge-verein. Der aktuelle Hallesche FC hat seinen Triumphzug durch die Stadt noch vor sich.

(Prof. Jürgen Hermann)