Zum 500. Todestag des Erbauers der hallischen Moritzburg

Das 15. Jahrhundert war eine Zeit, in der die Städte im Reich einen enormen Machtzuwachs zu verzeichnen hatten. Nicht nur die reichsfreien Städte standen auf dem wirtschaftlichen und kulturellen Zenit, auch jene Städte, die formal noch einem Landesherren hörig waren, beanspruchten immer mehr Souveränität für sich. Dies führte in den Hoch- und Erzstiften des Reiches zu teilweise prekären Situationen, in denen der Bischof oft den Kürzeren zog und seine Kathedralstadt temporär verlassen musste (so z. B. in Köln, Meißen, Brandenburg, Havelberg etc.). Auch im Erzstift Magdeburg bedeutete das 15. Jahrhundert einen chronischen Konflikt zwischen den Erzbischöfen und den beiden wichtigsten Städten Halle und Magdeburg. Gleichzeitig jedoch war der Magdeburger Bischofsstuhl der Schlüsselposten zur Vorherrschaft im Elbe-Saale-Raum. Dementsprechend versuchten sowohl die sächsischen Wettiner als auch die brandenburgischen Hohenzollern hier Einfluss zu nehmen. 1476 gewannen die Wettiner das Ringen um die Besetzung: Mit nur 11 Jahren wurde Ernst, Sohn von Kurfürst Ernst und Bruder des späteren Friedrich III., zum Erzbischof erhoben. Ihm gelang es, trotz des zunehmenden Aufbegehrens der Städte Magdeburg und Halle, die politische Situation im Erzstift langfristig zu befrieden. So wurde das Erzstift Magdeburg in den Jahren 1478 bis 1541, also in der Endphase des Mittelalters und der anschließenden Reformationszeit, zu einem Bollwerk erzbischöfficher Machtentfaltung im Reich.



Schon im ersten Jahr seines Episkopats, 1478, bot sich für den jungen Ernst eine Gelegenheit, seinen Machtanspruch gegenüber einer Stadt zu manifestieren. In der alten Salzstadt Halle schwelten schon lange die Konflikte zwischen der Bürgerschaft und dem alten Salzpatriarchat, den Pfännern. Im September 1478 spitzten sich diese Kon ikte derart zu, dass es zu bewa neten Auseinandersetzungen kam, und die hallische Bürgerschaft den Erzbischof zur Hilfe rief. Durch eine trojanische List gelang es den „Popularen“, die Kontrolle über das Ulrichstor, zur Amtsstadt Neumarkt hin gelegen, an sich zu reißen, so dass die bischöffichen Truppen in die Stadt einströmen konnten.

Als Folge davon diktierte der Erzbischof den Pfännern ein Drei-Punkte-Programm: Erstens durfte er selbst ab sofort gegen die Berufung neuer Ratsmitglieder ein Veto einlegen, zweitens hatte er die unilaterale Kontrolle über die Bündnispolitik der Stadt (welche darauf hin aus der Hanse austreten musste) und drittens behielt er es sich vor, in Halle ein „sloß ader vestunge“ zu errichten. Halle wurde somit zur Residenzstadt, ein Status, der der alten Salzmetropole noch bis weit ins 17. Jahrhundert hinein erhalten blieb. Für den Ausbau Halles mögen vor allem die größere Nähe zum ernestinischen Sachsen und die Ferne des einflussreichen Magdeburger Domkapitels ausschlaggebend gewesen sein. Der neue Stadtherr war abernoch bis zum Jahre 1487 unmündig, was zur Folge hatte, dass die Politik am Anfang seines Episkopats de facto von seinen wettinischen Verwandten bestimmt wurde.



Schon 1479 bot sich eine verlockende Möglichkeit, die geistliche Macht Ernsts noch weiter zu steigern, indem er als Bischof für das hoch verschuldete Bistum Halberstadt postuliert wurde. Das Problem der pluralitas bene corum, der geistlichen Ämterhäufung, wurde umgangen, indem Ernsts Vater höchstpersönlich nach Rom aufbrach, um persönlich eine päpstliche Dispens zu erbeten. Im Juni 1480 kehrte er mit den notwendigen Urkunden zurück, so dass der Amtsausübung seines Sohnes in Halberstadt nichts mehr im Wege stand. Spätestens ab 1509 residierte der Erzbischof dauerhaft in Halle, wo er sein Schloss, die Moritzburg, zum Zentrum eines Stiftes erheben wollte, das an der Maria-Magdalenen-Kapelle angesiedelt sein sollte. Zu diesem Stift gehörte auch eine Reliquiensammlung, die später als „Hallesches Heilthum“ große Bedeutung erlangen sollte. Auch die Gründung eines Stiftes an der Maria-Magdalenen-Kapelle hatte Ernst schon geplant. Zur tatsächlichen Einrichtung hat es dann aber nicht mehr gereicht (Scholz, Residenz, Hof und Verwaltung der Erzbischöfe von Magdeburg, S. 179).

Als Erzbischof von Magdeburg trat Ernst als ein Fürst auf, der sich seiner Position und seiner Rechte bewusst war, welche er auch nicht müde wurde, von den Städten seines Erzstifts einzufordern. Trotz der daraus resultierenden Konflikte, vor allem mit der mächtigen Magdeburger Bürgerschaft, gelang es ihm stets, auch seinen Machtanspruch als Landesherr geltend zu machen. Er legte somit den entscheidenden Grundstein für die glanzvolle Herrschaft Albrechts von Brandenburg (1490-1545), der auf dem Werk und Wirken Ernsts aufbauen konnte. Ernst von Wettin starb vor genau 500 Jahren, am 3. August 1513 in Halle. Noch in seinem Tod manifestierte er seine starke Bindung an das Bistum, denn als Magdeburger Bischof hatte er sich, an repräsentativer Stelle im Westchor der Kathedrale, eine eigene Memorialstätte eingerichtet, wo sein Körper heute noch in einer beeindruckenden Bronzetumba aus der Nürnberger Werkstatt des Peter Vischer ruht. Sein Herz hingegen verblieb in seiner Residenz in Halle, wo es in der Maria-Magdalenen-Kapelle beigesetzt wurde.

(Friedemann Meißner, Kulturfalter Juli 2013)