Gustav Weidanz - Begründer der Bildhauer- und Medaillenschule an der Burg Giebichenstein

Vor nunmehr 100 Jahren entsprach Gustav Weidanz (1889–1970) dem Wunsch von Paul Thiersch (1879–1928) und kam an die damalige Handwerker und Kunstgewerbeschule nach Halle (Saale). Als Leiter der neugegründeten Fachklasse für Plastik legte der Ziseleur und Metallbildhauer 1916 den Grundstein für die Bildhauer- und Medaillenschule an der heutigen Burg Giebichenstein – Kunsthochschule Halle. In Halle angekommen, baute Weidanz vorerst die Fachklasse für Plastik auf und übernahm in den folgenden Jahren auch die Leitung der Keramikwerkstatt an der heute sogenannten Burg.

Rückblickend sagte er selbst von sich, war er in dieser Zeit mehr „als Töpfer bekannt“, weniger als Bildhauer und Medailleur. Insbesondere seine Öfen machten ihn deutschlandweit bekannt. Allerdings wurde er bereits in den 1930er-Jahren beauftragt, Brunnen und Plastiken für den öffentlichen Raum zu schaffen. So fertigte er 1928/29 die Fassadenfiguren für den hallischen Ratshof, welche im Zweiten Weltkrieg zerstört und 1976/77 von Johannes Baumgärtner unter der Vorlage alter Fotos neu gegossen wurden. Ebenso entstand der Gänsebrunnen als Gemeinschaftsarbeit von Weidanz und Charles Crodel (1894–1973) für Halle-Kröllwitz. 1939 wurde der Brunnen eingeweiht und bald wieder stillgelegt. Heute sind die drei Gänse der Brunnenbekrönung auf dem Rosa-Luxemburg-Platz in Halle zu finden.



Neben seinen Arbeiten als Bildhauer und Keramiker beschäftigte sich Gustav Weidanz bereits zu dieser Zeit mit der Medaillenkunst. Diese integrierte er allerdings erst nach 1945 in den Lehrplan der Burg. Auch richtete er gemeinsam mit seinem Schüler, späteren Assistenten und Nachfolger Gerhard Lichtenfeld (1921–1978) eine hochschuleigene Gießerei an der Burg ein. Diese ermöglichte den Burg-Angehörigen, ihre Kleinplastiken und Medaillen vor Ort anzufertigen, künstlerische Ideen zu erproben und die Ergebnisse zu vergleichen. Nach seiner Emeritierung 1959 war Weidanz weiterhin an der Burg präsent. So goss Bernd Göbel (*1942) nahezu alle Kleinplastiken des „Meisters“, die er bis zu seinem Tod 1970 entwarf. Auch über seinen Tod hinaus wollte Weidanz die Bildhauerei und Medaillenkunst befördern. So verfügte er in seinem Testament, dass aus den Zinserträgen seines Vermögens ein Preis zur Förderung von jungen Bildhauern gestiftet werden sollte. Der Gustav-Weidanz-Preis wurde erstmals 1975 vergeben. Als erste Preisträger wurden Emerita Pansowová (*1946) und Bernd Göbel geehrt. Bis heute wird der Gustav-Weidanz-Preis regelmäßig durch die Burg ausgeschrieben.

Gustav Weidanz war in seiner Kunst der figürlichen Bildhauerei der Moderne verpflichtet. Dieses Traditionsbewusstsein und dieser Traditionsbezug vereinten sich in den Gestaltungsprinzipien der Bildhauerei- und Medaillenkunst an der Burg. In seiner Lehre propagierte Weidanz Vorbilder wie Aristide Maillol (1861–1944), Gerhard Marcks (1889-1981), Henry Moore (1898–1986) und Marino Marini (1901–1980). Dies spiegelte sich auch in seiner Kunst wider: er setzte sich in seinen Plastiken mit dem realistischen, unversehrten Menschenbild in seiner körperlichen Ästhetik und harmonischen Tektonik auseinander.



Weidanz’ Nachfolger in der Leitung der Fachklasse für Plastik Gerhard Lichtenfeld (von 1959 bis 1978) und später auch Bernd Göbel (Professor für Plastik von 1982 bis 2008) orientieren sich in ihrer Kunst und Lehre am Weidanz’schen Erbe. Das Festhalten an der Tradition der figürlichen Plastik war ein verbreitetes Phänomen unter den Bildhauern in der DDR. Zugleich entsprach diese formal unkritische Figürlichkeit in das von der DDR-Regierung propagierte Kunstprogramm des Sozialistischen Realismus. Allerdings führte diese bildhauerische Kunsttradition in den 1970er Jahren zu einer öffentlichen Auseinandersetzung innerhalb der DDR-Kunstszene. In Bezug auf die Hallesche Schule stellte Andreas Hüneke 1978 kritisch fest: „Man kann ja von hallescher Plastik kaum noch sprechen, ohne von Tradition zu sprechen. Und oftmals besteht die Meinung, dass die hallesche Plastik an ihrer Tradition erstickt“. Der Kunstkritiker merkte weiter an: eine „kleine Beunruhigung, eine kleine Unsicherheit über die Richtigkeit des eingeschlagenen Weges täte manchmal gut.“ Anlässlich der Verleihung des Gustav-Weidanz-Preises 1978 nahm Göbel in seiner Rede Bezug auf diese Kritik. Er habe die Bildhauerei immer als „sehr persönliches Erlebnis betrachtet, das aber [...] im Gefolge einer Tradition stehen muß. Und müssen wir diese Tradition verlassen, weil wir ihrer nicht mehr bedürfen, so wird sich das sehr allmählich nur vollziehen können.“

Heute – 100 Jahre nach der Ankunft von Weidanz in Halle – ist ein Wandel und zugleich ein Abgrenzen zur klassischen Tradition der Halleschen Schule an der Burg offenkundig. Dieser Wandel und diese Abgrenzung allerdings begründen sich nicht zuletzt auf das Erbe und Vorbild Gustav Weidanz.

(Autor/in: Doreen Pöschel)