Friedrich August Eckstein

„... mir erschien der entschlafene vor allem als ein mann des maszes vom wirbel bis zum zeh“, der als einzige Leidenschaft die für Bücher gekannt habe, er sei „ein solcher haushalter und schatzmeister gewesen in alle wegen, und was er gesammelt und gesonnen, gestrebt und geschaffen, das wird in unauslöschlicher erinnerung und weiterfruchtendem segen bleiben.“ Diese, im November 1885 entstandene Prognose eines im „Neuen Jahrbuch für classische Philologie und Pädagogik“ erschienenen Nachrufs von Hermann Masius galt dem kurz zuvor, am 15. des Monats verstorbenen Philologen und Schulmanne Dr. Friedrich August Eckstein, seinem verehrten Lehrer.

Ein dem Musterbuch zu entstammen scheinender hallischer Lebenslauf war zur Vollendung gekommen: Vor 200 Jahren, am 6. Mai 1810 als Sohn eines früh verstorbenen Maurers geboren, wurde Eckstein in seinem zehnten Lebensjahr in das hallische Waisenhaus aufgenommen, das er, durch sein Studium nur kurzzeitig unterbrochen, erst vier Jahrzehnte später, im Jahre 1863 verlassen sollte – als dessen stellvertretender Direktor und zukünftiger Rektor der Thomasschule in Leipzig. Die Ausbildung in zunächst der deutschen, dann der Lateinischen Hauptschule hatte bei dem sprachbegabten Jungen reiche Früchte getragen. Nach dem Abitur 1827 studierte er in Halle klassische Philologie – Latein und Griechisch – und beendete dieses 1831 mit einer Dissertation über die Dialoge des Tacitus.



Doch galt sein weiteres Streben nicht einer universitären Laufbahn, vielmehr war es die Arbeit mit den Schülern der hallischen Anstalten, in denen er einen Aufstieg vom Hilfslehrer über den des Rektors der Lateinschule bis zur Position des stellvertretenden Direktors durchlief. Seine über Jahrzehnte ausgeübte unterrichtende Tätigkeit und die Verwaltungsaufgaben ergänzte er durch das Verfassen oder die Herausgabe zahlreicher Schriften, darunter eine Schulgrammatik des Lateinischen oder den 1887 posthum erschienenen Band „Lateinischer und deutscher Unterricht“. Um die Geschichte des Faches machte er sich durch den „Nomenclator philologorum“ von 1871 verdient, einem bis in unsere Zeiten wieder aufgelegten „Who is Who“ lateinischer Sprachgelehrter.

Unermüdlich publizierte Eckstein zur Geschichte seiner Heimatstadt. In den „Schulprogrammen der Lateinischen Hauptschule“ kamen zwischen 1850 und 1862 die drei Bände der „Beiträge zur Geschichte der hallischen Schulen“ heraus. Zuvor hatte er sich an eine, unvollendet gebliebene „Fortsetzung der Dreyhaupt’schen Chronik“ gewagt, eine vorzügliche Festschrift zum 500jährigen Jubiläum des Hospitals St. Cyriaci verfasst (1841) sowie eine lateinische Chronik des Petersberges (Chronica Montis Sereni) herausgegeben. Stets bemühte er sich um die Vermittlung komplexer Inhalte an junge Menschen – neben der Herausgabe von Karl Friedrich Beckers „Erzählungen aus der alten Welt für die Jugend“ über Stoffe des klassischen Altertums und die Fortführung der dutzendfach aufgelegten „Auswahl deutscher Gedichte für gelehrte Schulen“ von Theodor Echtermeyer verfasste er auch ein Vorwort der „Heimathskunde“ von Franz Knauth (1852).

Den Zeitläuften geschuldet war sein politisches Engagement: 1849 war er als Abgeordneter im preußischen Landtag vertreten. Dann kam es zu einem unerwarteten Bruch in seiner Biographie: Wie Paul Raabe nachweisen kann, war das Verhältnis zur preußischen Schulaufsicht und zum konservativen Kultusminister, der 1653 nach den Revolutionsjahren 1848/49 die Direktorenstelle der Franckeschen Stiftungen mit einem anderen Kandidaten besetzte und die Beziehung zu letzterem so zerrüttet, dass der Stellvertreter 1863 das ihm angetragene Direktorat der Leipziger Thomasschule annahm. Die Stadt Halle ließ ihm in diesem Moment ihre Ehrenbürgerschaft angedeihen, doch musste sie ihn ziehen lassen. Mit der Würde wurde eine weitere, wichtige Facette von Ecksteins Wirken honoriert: Sein bürgerschaftliches Engagement als Kommissionsmitglied, begehrtem Festredner, Redakteur des hallischen Tageblatts und schließlich als Freimaurer und Sekretär der ‚Loge zu den drei Degen’, deren Geschichte er zum 100jährigen Jubiläum 1844 ebenfalls vorlegte.

Nach seinem Rückzug aus dem wiederum lange und erfolgreich ausgeübten Wirken an der Thomasschule im Jahre 1881 lehrte Eckstein weiter als außerordentlicher Professor der Universität zu Leipzig. Als er 1885 im Alter von 75 Jahren begraben wurde, folgten, um noch einmal Masius zu zitieren, „in langem zuge leidtragende aller Lebensalter und -stellungen, und an dem von lorbeer und palmen überdeckten sarge gaben sieben redner dem allgemeinen gefühle des schmerzes und der verehrung ausdruck.“ Ein hallischer Lebenslauf.

(Andrea Thiele, Kulturfalter November 2010)