Markus Steffen - künstlerischer Leiter der Filmmusiktage in Halle

Im Interview mit Kulturfalter spricht der künstlerische Leiter der jährlich in Halle stattfindenden Deutschen Filmmusiktage Markus Steffen über ein Genre, das zunehmend mehr die Beachtung findet, die es schon immer verdient hat. Die Veranstaltung wächst seit zehn Jahren stetig und bringt Newcomer sowie etablierte Komponisten der Szene nach Halle. Das Event ist nicht mehr nur in Liebhaberkreisen der Filmmusik bekannt – spätestens seitdem auch der Deutsche Filmmusikpreis hier verliehen wird, kann Halle wohl stolz sein, Teil dieses bemerkenswerten Projekts zu sein.

Wie kamen sie auf die Idee mit den Filmmusiktagen?

Die Ideen kamen im Gespräch mit den anderen Beteiligten. Wir überlegten vor zehn Jahren, was wir noch machen konnten. Es gab schon damals in Halle einen großen Postproduktionsbereich in Sachen Film in Form der Studio Halle Gruppe, des Mitteldeutschen Multimedia Zentrums sowie Filmfirmen wie „Motionworks“ oder der Produktionsfirma „NFP marketing & distribution“. Kurzum - wir wollten etwas für diesen Bereich tun, insbesondere für die Musik. Da lag die Filmmusik sozusagen auf der Hand. Das Schöne war, dass dies auch im Zusammenhang mit Händel und Halle als Musikstadt sehr viel Sinn ergab. Und zu guter Letzt gab es hier auch noch viel Freiraum – Namen und Internetseiten etc. waren noch nicht besetzt. „Filmmusiktage“ war die erste Idee und wir sind bis heute bei diesem Namen geblieben.

Wieso ausgerechnet Halle? Wenig Glamour?

Es sollte einen Vorteil für Halle bringen und den Standort auf Grund der schon vorhandenen Struktur weiter stärken. Ebenso sind die Filmtage eine Veranstaltung des Landes Sachsen-Anhalt und können so bis in das Bundesgebiet hinein wirken. Außerdem sprachen ganz profane Argumente für Halle. Als wir angefangen haben zu planen, war es schon März oder April und die Veranstaltung sollte im September/Oktober stattfinden. Die Staatskapelle Halle war am 27. September 2008 noch verfügbar und so beschlossen wir, dass wir an diesem Termin das große Galakonzert veranstalten. Um diesen Tag herum planten wir dann den ersten Kongress der Filmmusiktage.

Wie waren die Anfänge? Chaotisch? Stories die Sie so jetzt nach zehn Jahren erzählen können?

(Lacht) Ja, es gibt immer Schwierigkeiten, gerade wenn es um Termine geht. Man kann viele Dinge planen, aber Verspätungen am Flughafen eben nicht. Ich erinnere mich da zum Beispiel an unseren ersten Ehrengast Claude Chalhoub („Into the wild“, „Persona non grata“). Claude kommt aus dem Libanon und er war unersetzlich. Einen Tag bevor er ankommen sollte, rief er mich in der Nacht an und meinte: „Ich habe meinen Flug verpasst“. Daraufhin haben wir ihn, anstatt über die Türkei, über Paris und sonst wo fliegen lassen. Schließlich kam er, mit 24 Stunden Verspätung, gerade noch rechtzeitig an.

Manchmal hat man das Gefühl, dass Filmmusik nur wenig Anerkennung erfährt. Ist das so?

Die Filmmusik ist immer das Stiefkind bei einer Filmproduktion. Die ersten 50 Prozent einer Produktion bestehen aus dem Filmdreh, die zweite Hälfte ist dann Postproduktion. Und in den letzten Prozent der Postproduktion, da kommt dann die Filmmusik ins Spiel. Es geht hektisch zu, denn der Film muss in die Kinos und die Musik soll einfach irgendwie in den Film - das ist der pragmatische Grund. Der zweite Grund ist finanzieller Natur, denn wenn bis zu diesem Zeitpunkt das Budget schon ausgereizt ist, dann wird überall gespart und das Gehalt des Komponisten wird gedrückt. Er wird stiefmütterlich behandelt, hat aber zumindest einen Vorteil: seine Musik transportiert für den Film wichtige Stimmungen und Emotionen. Außerdem kann die Filmmusik noch vieles ausgleichen, wie zum Beispiel Schnittfehler, die sanft überspielt werden. Oft bleibt auch die Musik im Gedächtnis – wie bei James Bond zum Beispiel.



Wie ist das im internationalen Vergleich – ist das ein typisch europäisches oder deutsches Problem? Wie ist es in Hollywood?

In Hollywood gibt es diese großen Orchestrierungen, die wir alle kennen. Letzten Endes hat diese Tradition aber europäisches Wurzeln, denn Kompositionen dieser Art kommen alle aus der Spätromantik. Leute wie Erich Wolfgang Korngold (Robin Hood, 1938) oder Franz Waxman (Der blaue Engel, 1930, Die Abenteuer des Huckle Berry Finn, 1939) sind während der Nazi-Diktatur geflüchtet und wurden in Hollywood mit offenen Armen empfangen. Sie waren schließlich für den bekannten Hollywood-Sound verantwortlich, bei dem mit großen, studioeigenen Orchestern bombastische Soundtracks eingespielt wurden. In Hollywood ist die Zusammenarbeit mit den Komponisten eher partnerschaftlich, was ihnen einen anderen Status verleiht.

Inzwischen wird Filmmusik oftmals als Konzertevent vermarktet – ist das gut oder schlecht?

Ich finde toll, dass der sinfonische Soundtrack, beziehungsweise der Live-Effekt der Filmmusik heute einen anderen Stellenwert hat. Und ganz unbescheiden, denke ich, dass wir daran einen kleinen Beitrag haben. Außerdem ziehen die Filmmusiken auch ein jüngeres Publikum in die Säle. Für die klassische Musik ist es nicht leicht, ein junges Publikum zu begeistern. So wird aber mit Hilfe der bekannten Melodien eine Brücke gebaut. Denn wenn man genau hinschaut, kommen, wie gesagt, viele der Komponisten aus der Spätromantik wie zum Beispiel Wagner, dessen Werke großen Filmmusikcharakter haben. Wenn man Komponisten wie Hans Zimmer daneben stellt, sind die Verbindungen eindeutig. Heute werden zwar viel mehr Soundeffekte darunter gelegt, aber die Wurzeln sind dieselben.

Gibt es Trends in der Filmmusik?

„Trend“ ist ein moderner Begriff, es gab schon immer neue Entwicklungen. Das moderne Sounddesign erfordert eine andere Art des Komponierens, weil der Sound einer Actionszene heute ein ganz anderer ist als früher. Heute muss ein guter Sounddesigner Ahnung von Musik haben und umgekehrt der Komponist vom Sounddesign. Ohne Abstimmung kann es passieren, dass zu viele laute Spuren einen Brei ergeben, der keinem Hörer, beziehungsweise Zuschauer gefällt.

Was macht gute Filmmusik aus?

 Da bin ich wohl nostalgisch. Ich bin ein Verfechter von großen Orchestern und großen Melodien, großen Bögen. Das mag daran liegen, dass ich aus der Klassik komme und weil ich Fan von alten Filmen bin, zum Beispiel der berühmten Duschszene in Alfred Hitchcocks Film „Psycho“. Da war es angeblich so, dass Hitchcock in den Urlaub gefahren ist und als der Filmmusiker Bernhard Hermann ihm bei seiner Rückkehr die Szene mit der Geigenmusik zeigte, war Hitchcock begeistert und hat die Szene so übernommen - das ist natürlich Klasse.