(K)ein Märchen – Filmregissuer Mario Schneider über seinen Film "Heinz und Fred"

Mario Schneider wurde mit seinem Dokumentarfilm "Helbra" bekannt. Neben seiner Tätigkeit als Dokumentarfilmer hat der Künstler sein eigenes Tonstudio in Halle. Kulturfalterredakteur Martin Große sprach mit ihm über seinen Film "Heinz und Fred" aus der Reihe "Die MansFeld-Trilogie", der im Jahr 2008 in den Kinos startete und neben dem DEFA-Förderpreis 2007 auch das FBW-Prädikat "besonders wertvoll" erhielt.

Kulturfalter: Wie sind Sie auf die Idee gekommen den Film zu machen?

Mario Schneider: Auf die Idee bin ich während des Drehs zu meinem ersten Film gekommen. Das war „Helbra“ und spielte im Nachbarort. Wir waren auf der Suche nach Drehorten für Außenbilder, da haben wir die Burg von Heinz und Fred entdeckt. Erst haben wir uns gefragt, was das ist, und dann hatte ich sofort die Idee einen Film zu machen. In den folgenden Jahren haben wir uns dann oft getroffen, bis die Finanzierung für „Heinz und Fred“ stand.

Heinz und Fred wirken recht eigenbrötlerisch – wie pirscht man sich als Filmemacher an die Personen heran, ohne zu stören?

Als Dokumentarfilmer muss man ein Gespür für Menschen haben und da ist egal, was diese machen. Respekt und Verständnis ist Voraussetzung, um als Gesprächspartner akzeptiert zu werden.



Wie schafft man es zu verschwinden?

Das ging ganz schnell. Wir sind noch einmal mit dem Filmteam von Helbra hingefahren und haben Probeaufnahmen gemacht. Wir haben sie beim Arbeiten gefilmt und innerhalb von 10 Minuten waren wir verschwunden. Das war auch während der ganzen Filmarbeiten eine ganz besondere, fast eine buddhistische Versunkenheit, die von den beiden ausging, wenn sie gearbeitet haben und die sich dann auch auf das ganze Team übertragen hat.

Heinz und Fred leben auf diesem Gelände und werkeln vor sich hin, aber wovon leben sie?

Heinz war Rentner, also bekamen sie ein wenig Rente. Das Land, auf dem sie wohnten, gehörte Heinz und sie waren größtenteils Selbstversorger. Obst und Gemüse haben sie selbst angebaut, dann hatten sie noch Schafe und Hühner.

Wenn man so lange mit den Menschen dreht, wie sehr baut sich da eine Beziehung auf?

Eine sehr eindringliche. Mit Heinz war ich sehr schnell befreundet. Er war sehr offen, sehr lebensfroh und hatte immer etwas vor und Pläne, die er noch umsetzen wollte. Auch nach den Dreharbeiten haben wir so alle zwei Wochen telefoniert und er hat erzählt, woran er gerade bastelt. Bei Fred hat es etwas gedauert, denn er hat eine schwere Geschichte. Ich wusste, dass es Zeit braucht, bis ich einen Zugang zu ihm finden würde. Ich wußte, dass es dauern würde, bis ich ihm meine Fragen stellen konnte. Es war wichtig, zu warten, bis er mit mir über diese emotionalen Dinge sprechen wollte. Eines Tages war es dann soweit. 

Was ist das für eine Geschichte?

Er hat früh seine Mutter verloren. Er hat daraufhin lange kein Wort gesprochen. Das war die schwerste Zeit in seinem Leben.

Wenn man den Film schaut, fragt man sich immer wieder, was Fred macht, wenn Heinz stirbt.

Das ist auch die zentrale Frage. Fred erzählt in einer Szene, dass er Heinz gern etwas zum 100. Geburtstag schenken möchte und man merkt, dass er sehr große Angst hat zu sterben und ohne Heinz zu leben.

Heinz ist inzwischen verstorben, kann man ahnen, was aus Fred wird, wenn man den Film sieht?

Man kann es ahnen, aber mehr möchte ich nicht sagen. Das Gelände jedenfalls gibt es nicht mehr, denn Heinz ist Anfang des Jahres gestorben. Alle Maschinen sind verkauft und die Burg aufgelöst. Das ist auch ein Grund dafür, dass der Film wie ein Märchen erzählt ist. Denn so wird die verschwundene Welt der beiden erzählt und bewahrt.

Heinz und Fred leben ja auf ihrer „Burg“ – gab es irgendeinen Grund für diesen Rückzug auf die Burg, Enttäuschung, Frust oder ähnliches?

Nein gab es nicht. Heinz hat schon immer gebastelt und gewerkelt. Das hat schon früh angefangen, aber er hat es immer für den Moment der Arbeit gemacht. Das meiste blieb ohne konkrete Verwendung. Er hat es gemacht, glaube ich, um seine Träume zu verwirklichen. Er hat sich zu DDR-Zeiten auf seiner Burg ein 12 Meter langes Schiff umgebaut, über Land transportiert und ist dann mit dem Schiff die Elbe runter gefahren. Dann hat er mit 55 Jahren in der Tschechei seinen Flugschein gemacht und aus einem Segelflugzeug ein Motorflugzeug gebaut. Ich glaube über die Welt „draußen“ hat er geschmunzelt. Aber verbittert oder ähnliches war er nicht, auf keinen Fall.

Das Wohnmobil, welches im Film eine zentrale Rolle spielt, hat er das durch den TÜV bekommen?

Er hat alles durch den TÜV gekriegt. Das ist zwar zusammengestückelt aus allen möglichen Dingen. Aber es hat TÜV. Ich hatte mit ihm gewettet, dass er es nicht aus der Werkstatt bekommt, aber die Wette habe ich verloren.

Hat dich der Film verändert oder vielleicht deine Sicht auf Arbeit?

Ja das hat er. Denn er stellt viele Fragen, die man seiner Familie oder Freunden nicht unbedingt immer stellt. Man spricht mit eigentlich fremden Menschen über intime Fragen, die man sich oft selber nicht einmal stellt. Und meine Arbeit ändert immer die Sicht, die ich auf Menschen habe. Man trifft Leute, mit denen man sich sonst vielleicht mal eine halbe Stunde unterhält. Als Filmemacher taucht man dann in deren Leben ein und sieht, wie Menschen mit Problemen fertig werden. Wie in meinem ersten Film, als die Leute im Dorf versuchen mit den Drogen fertig zu werden. Man bekommt Respekt vor den unterschiedlichen Arten zu leben und sein Leben zu führen.

Der Film, obwohl ein Dokumentarfilm, hat viel Handlung und wird in "Märchenform" erzählt – warum?

Die beiden haben sich eine eigene Welt geschaffen, die scheinbar nichts mit dem Leben draußen zu tun hat. Das brachte mich auf die Idee einen Märchenerzähler zu erfinden, der ihre Welt kennt und von ihr berichtet. Auch die Musik und vor allem die tolle Kamera von Peter Badel geben dem Thema einen wirklich filmischen Charakter. Insofern ist der Film ganz und gar nicht wie ein Dokumentarfilm gemacht.

Herr Schneider, vielen Dank für das Interview.

(Das Interview führte Martin Große)


Trailer: Heinz und Fred