500 Künstler aus fünf Kontinenten zu Gast in Halle zum Festival Theater der Welt

18 Tage, 18 Spielorte, 18 Länder – Das „Theater der Welt“ Festival bescherte der Stadt Halle einen wunderschönen und bunten Sommer. Man konnte insgesamt 24 Gastspiele erleben, die man im Jahr 2008  nur in Halle sehen konnte. Insgesamt 14 Uraufführungen wurden gezeigt, ebenso gastierten neun Erstaufführungen in der Stadt, acht „Artists in residence“-Gruppen recherchierten, casteten und probten vor Ort und verankerten das Festival in Halle.

Komm! Ins Offene

Im Jahr 2008 stellte das Theater der Welt sein ästhetisch-politisches Konzept unter das Motto "Komm! Ins Offene", einem Aufruf gegen die "bleierne Zeit" von Hölderlin, der 1795 Halle besuchte. Dieses Signal wurde von der ganze Region aufgegriffen. Seit 1981 wird das bedeutendste internationale Theaterfestival Deutschlands an finanzstarke Metropolen vergeben, alle drei Jahre an eine andere, meist eine westdeutsche Stadt, die sich die Kosten mit Bund und Land teilte. ln Halle war alles anders.

Hier, im kleinsten Austragungsort in der Geschichte des Festivals, engagierten sich die Bürger gemeinsam mit der regionalen Wirtschaft: Sie stemmten prozentual den größten Beitrag, der je an privaten Fördergeldern zum Gelingen des Festivals zusammenkam. Und Halle selbst, die alte Diva, verwandelt sich, der historische Stadtkern und Halle-Neustadtwerden zur Aktionsfläche, wurde Teil der Handlung, Bühne und Laboratorium. Das Festival wagte mit allen Beteiligten den Aufbruch ins Offene. Komm!

 



Spannung, Aufregung und Vorfreude

Am 19. Juni 2008 war es soweit. Die Initiatoren des Festivals Theater der Welt luden wenige Stunden vor Beginn des Festivals zum ersten Pressegespräch. Im Festivalzentrum in der Neuen Residenz versammelten sich die ersten Journalisten und die Sonne schien, als die kleine Bühne zum ersten Mal betreten wurde. Kulturfalter als Medienpartner nutzte die Chance, um ein paar Impressionen einzufangen und einige Fragen zu stellen.

Das Festival beginnt in wenigen Stunden. Glauben Sie, dass das Festival nun in Halle angekommen ist?

Torsten Mass (Kurator): Das Festival hat ja einen langen Umweg genommen,bis es nach Halle kam. Dadurch hatten wir einen langen Anlauf. Und am Anfang herrschte eher eine freundliche Zurückhaltung. Als wir dann aber immer wieder verkünden konnten, das immer neue Geldbeträge von der Privatwirtschaft eingesammelt wurden, kam es zu einem Umschwung nach dem Motto „Wenn die Wirtschaft so viel Geld da reinsteckt, dann musss es was Tolles sein.“Und jetzt sind schon vor Beginn ca. 2/3 der aller Karten verkauft, und es fühlt sich an, wie eine freundliche Umarmung.  

Christoph Werner (Intendant, Kulturinsel): Es tauchen auch inzwischen anzügliche Witze mit dem Festivalmotto „Komm!“ auf und jetzt noch das Vorspiel... (lacht verschmitzt) Ich glaube, dass ist das beste Zeichen, dass das Festival in Halle angekommen ist.  

Apropos Vorspiel; Was erwartet die Leute zum Vorspiel?

Professor Thomas Greis (Burg Giebichenstein, Leitung Modedesign): Prozessionen sind etwas Lustvolles und unsere Studenten haben zu jedem der drei Prozessionszüge, die heute abend stattfinden, Kostüme designed. Diese sind jeweils auf die drei Kontinente (Afrika, Asien und Lateinamerika, Anm. der Red.) abgestimmt. Aber man darf es sich nicht als Folklore vorstellen, denn es ist viel mehr – ein Brückenschlag zwischen Kunst, Kultur und Folklore.

Anette Heit (Werkstatt der Kulturen): Wir haben 90 Trommler aus aller Weltund waren gestern das erste Mal zusammen bei einer Probe im Stadtpark. Daswar schon toll. Es kamen viele Menschen und haben geschaut und es war eineVorfreude zu spüren. Ich denke, das wird ein großartiger Einstieg und denkeauch, dass viele Hallenser kommen werden.



Eine Bilanz nach 18 Tagen

Unter den vielen Highlights war Yael Ronens wagemutiges, witziges Experiment "Dritte Generation" der eigentliche Presse- und Publikumsliebling. Es führte Lebensgeschichten, Tabus und Konflikte dreier Nationen in absurd komischen Szenen und Spielformen zusammen. Mehrere Fernsehteams hatten bereits die Recherchen der israelischen, palästinensischen und deutschen Schauspieler begleitet, von der Klagemauer in Jerusalem zu den Checkpoints, Yad Vashem und den neuen Sicherheitsanlagen nach Sachsenhausen und Berlin.

Die meisten Zuschauer zog Massimo Furlans künstlerisches Remake des einzigen deutsch-deutschen Fußball-Länderspiels an, in dem Jürgen Sparwasser über Franz Beckenbauer triumphierte und die DDR über die BRD. Im Kurt-Wabbel-Stadion feierten über 2600 Besucher den Nationalhelden und sein Doubel. Als eine Art Maskottchen der EM-Spiele gelangten die beiden in die ARD- und ZDF-Nachrichten, auf den Tag genau 34 Jahre nach dem sensationellen 1:0.

Noch mehr Zuschauer begleiteten das Vorspiel der 250 Trommler und tanzenden Modeschöpfer, die in drei Prozessionszügen durch die Altstadt zogen und sich zum Finale auf dem Marktplatz sammelten. Ihnen antworteten 42 Manganiyars der nordindischen Wüste Tharr mit einem großen Open Air Konzert vor 5000 Besuchern. "Die Manganiyar-Verführung" übermittelte Tags darauf beim Festakt in der Oper 700 Ehrengästen aus der Politik und Wirtschaft das "Alphabet der Liebe" in mythischen Gesängen.

Und schließlich endet das Festival mit einem Plus ab. Es stand ein Etat von knapp drei Millionen Euro zur Verfügung, an dem sich der Bund mit 800.000 Euro, Sachsen-Anhalt mit 767.000 Euro und die Stadt Halle mit 367.000 Euro beteiligten. Theater der Welt hat circa 40 Prozent des Gesamtbudgets selbst akquiriert, insgesamt über eine Million Euro Sponsorengelder. Für viele Festivalbesucher, die aus Schleswig-Holstein, Bayern, Berlin, Hessen oder dem Ruhrgebiet, aus Neapel oder Paris, aus Kanada oder Venezuela anreisten, war die eigentliche Entdeckung Halle an der Saale, die "Diva in Grau" mit ihrer abenteuerlichen 1200-jährigen Geschichte.